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                                     Schwein gehabt

 

Einmal wäre es fast soweit gewesen, und ich hätte Fikret ‘nen Schweinebraten angedreht. „Hier Fikret, lecker Lamm“,  sagte ich, und stellte ihm den Teller vor die Nase. Wir saßen in der Kantine, zehn Mann an einem Tisch.

„Ich bring dir was mit“, hatte ich zu ihm gesagt, die Ausgabe hatte den Teller so manipuliert, dass er ansonsten aussah wie das Essen für die Türken, nur die Scheibe Fleisch war ausgetauscht worden.  Fikret hatte Kohldampf, wie immer, fing auch gleich mächtig an zu säbeln und schob sich den ersten Bissen in den Mund. Plötzlich verzog sich sein Gesicht beim Kauen, er lief dunkelrot an und spuckte die ganzen Brocken über den Tisch. „ Du verdammter  Hund, Sauerkrautfresser, das ist stinkendes Schwein.

 Komm her, Du gemeine Sau“. Er hing lang über dem Tisch, fuchtelte mit den Armen und versuchte mich zu fassen. Die anderen fielen fast vom Stuhl vor Lachen. Teller flogen durch die Gegend; Fikret war stark, und ich war schnell. Zack, war ich draußen, hörte den Tumult nur noch aus der Ferne, rannte, lachte Tränen, blieb dann stehen und rief dem Verfolger zu: „Wer kein Schweinefleisch frisst, darf auch nicht wählen!“  Das saß.

Fikret verbiss sich schon seit Monaten in das Thema: „Warum dürfen wir Türken nicht wählen, wo wir doch die ganze Kohle ranschaffen für euere Rente. Viele Türken, viele Kinder , viel Rente für alle“, schrie er durch das Gekreische der Maschinen. „Wenn wir alle wieder abhauen hier, dann könnt ihr euch im Alter die Kugel geben, nix Rente, Einheitsrente vielleicht, wenn du Glück hast.“  Ich arbeitete mit Fikret zusammen an sechs Webstühlen. Die politischen Diskussionen hörten nie auf. Und jetzt war’s halt das Thema Rente, mit dem er mir auf den Senkel ging. „Hört ihr erst mal auf zu foltern und den Kurden was vor die Fresse zu haun“, sagte ich, „dann kannste wiederkommen und für meine Rente arbeiten. Bis dahin schaff ich das auch ganz gut alleine.“

Allergiethema für ihn. Er wurde dann immer sehr sachlich, fast förmlich, als wär er bei mir auf Staatsbesuch. „ In der Türkei wird seit Atatürk nicht mehr gefoltert. Die Türkei ist ein demokratischer Staat, der sich gegen radikale Bombenleger aus den Kurdenreihen wehrt. Das ist legitim. Alle anderen Kurden bleiben verschont.“  Undsoweiterundsoweiter. Die Leier kannte ich schon.  Eigentlich wären w i r ein rassistischer Staat und die Apartheid hätte schon lange Einzug gehalten in die Bundesrepublik Deutschland, vor allem nach der Wende, rhabarberrhabarber. Er hörte einfach nicht auf. Da kam mir die Idee mit dem Schweinefleisch. Ich hatte die anderen natürlich eingeweiht, und die saßen dann gespannt wie die Flitzebogen am Tisch und warteten darauf, dass Fikret sich das Schweinefleisch reinzog. Dass der aber auch so eine feine Zunge hatte. Und nun ließ er nicht locker, rannte hinter mir her durch die Gänge, schrie, drohte, er würde mir  meinen Rassistenarsch aufreißen. kam immer näher, weil ich vor Lachen nicht mehr  schnell genug laufen konnte. Aber gekriegt hat mich nicht.

Nach Feierabend haben wir dann noch ein paar Bier zusammen getrunken.

„Du bist Moslem, Fikret, du darfst kein Bier trinken“, sagte ich, schon ein bißchen angeschlagen. „Und du bist Christ,“ sagte Fikret, „du musst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“  „ Hätte ich dir sonst das Schwein untergeschoben, du Doof?“  Fikret lachte. „Zwei Bier,  Kalle!“

copyright by Jürgen Spalink

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